Ab Anfang Oktober 2022 werden in allen Tesla Model 3 und Model Y Fahrzeugen keine Radar- und Ultraschallsensoren mehr verbaut. In den USA setzt man auf das radarlose Konzept schon seit 2021. Nun sollen Europa, der Nahe Osten und Taiwan folgen. Auch bei dem Model X und dem Model S soll es nächstes Jahr so weit sein. Ersetzt werden Radar und die Ultraschallsensoren mit dem Tesla Vision. Was das Tesla Vision ist und wie es funktioniert, erfährst du in diesem Artikel.
Wie funktioniert Tesla Vision?
Tesla Vision ist ein sichtbasiertes 3D-Erkennungssystem, was ausschließlich mit Kamerabildern funktioniert. Künftig soll es bei allen Sicherheits- und Fahrassistenzfunktionen des Fahrzeugs eingesetzt werden und die Radar- und Ultraschallsensoren sogar ganz ersetzen.
Schon im letzten Jahr hat Tesla angekündigt, auf das kamerabasierte Autopilot-System umzusteigen. Zuvor arbeitete Tesla mit acht Kameras, zwölf Ultraschallsensoren an Front und Heck und einem nach vorne gerichtetem Radar. Jetzt arbeitet Tesla Vision weiterhin mit den acht verbauten Kameras, zusätzlich aber noch mit Kamera-Vision, künstlicher Intelligenz und der Verarbeitung neuronaler Netze.
So wie der Mensch soll sich auch das Fahrzeug im Straßenverkehr mit einem visuellen System navigieren. Mit dem Weglassen der Sensoren und dem Umstieg auf Kameras bekommt das Fahrzeug eine weitere Sichtweise und eine bessere räumliche Positionierung. Zusätzlich wertet das System die Bilder der Kameras so aus, dass dadurch Tiefeninformationen erzeugt und Objekte besser erkannt und unterschieden werden können. Der Vorteil: Bessere Reaktion auf äußere Einflüsse und gerade beim Beschleunigen und Bremsen eine weichere Fahrweise.
Warum wird kein Radar mehr genutzt?
Während viele Autobauer in Sachen autonomes Fahren auf die Lidar-Technologie schwören, war Firmenchef Musk noch nie ein Fan von Lidar und bezeichnete es in der Vergangenheit sogar als „Krücke“ oder „Irrweg“. Seiner Meinung nach sei die Technologie zu „teuer“ und „unnötig“.
Lässt man das Radar weg, ist die Produktion weniger störanfällig und billiger. Teuer auszutauschende und sensible Komponenten fallen weg und die Produktionskosten sinken. Durch das neue System verbessert sich aber auch das Fahrgefühl. Mit Tesla Vision ist der Sichtradius des Autos nicht mehr so eingeschränkt, wodurch das Fahrzeug in alle Richtungen 250 Meter gleichzeitig sehen kann.
Einen Erfahrungsbericht und direkten Vergleich zum Tesla mit und ohne Radar findet man in diesem Video:
Warum verzichtet Tesla jetzt auch auf Ultraschallsensoren?
Nach dem Verzicht von Radar im Jahr 2021 sollen nun auch die Ultraschallsensoren folgen. Diese waren im Tesla bisher für die Nahbereich-Erkennung zuständig und haben unter anderem beim Einparken geholfen. Der wohl größte Vorteil der Ultraschallsensoren: die Erkennung von Hindernissen im toten Winkel. Aber warum verzichtet Tesla auf diese Funktion?
Grund dafür könnte der Chipmangel sein. Mit dem Wegfall der Sensoren können Fahrzeuge ausgeliefert werden, die schon fertig produziert sind, aber noch auf wichtige Komponenten warten. Zudem wird das neue „vision only“ System nicht mehr durch Staub, Regen und Schnee gestört, wie es bei den Ultraschallsensoren der Fall war.
Außerdem funktionieren Ultraschallsensoren nicht so gut, wie man vielleicht denken würde. Denn auch sie haben einen relativ großen toten Winkel. Damit ein Gegenstand von den Sensoren überhaupt wahrgenommen werden kann, muss das Objekt relativ hoch sein. Zusätzlich sind die Messungen der Sensoren sehr ungenau. Sie können nicht erkennen, wie hoch und breit das Objekt ist oder ob es sich um ein oder mehrere Objekte handelt. Es wird lediglich angezeigt, dass sich an der Stelle etwas befindet.
Welche Vorteile hat Tesla Vision gegenüber USS?
Beim Parken kann die kamerabasierte Technologie den Abstand zum Gegenstand später mal genauso gut messen. Zusätzlich aber auch erkennen, wie das Objekt aussieht – und das ganz ohne toten Winkel. Hinzu kommt, dass das Fahrzeug auch an den Stellen Gegenstände erkennen kann, wo vorher gar keine Sensoren waren, wie beispielsweise an den Seiten des Fahrzeugs.
Eine gute Erklärung zu den Schwachstellen der Tesla Ultraschallsensoren gibt es in diesem Video:
Welche Funktionen sind vorübergehen eingeschränkt?
Mit der Änderung auf Tesla Vision fallen zunächst bestimmte Funktionen weg oder sind nur eingeschränkt verfügbar.
- Einparkhilfe: Umgebungswarner, der aktiviert wird, wenn man weniger als 8 km/h fährt.
- Autoparken: Selbstständiges Parken des Autos quer oder parallel zur Straße.
- Herbeirufen: Fahrzeug wird durch eine Fernsteuerung nach vorne oder hinten bewegt.
- Smart Herbeirufen: Fahrzeug wird über App an ihren Standort navigiert.
Die inaktiven und eingeschränkten Funktionen sollen aber so schnell wie möglich wiederhergestellt werden. Dazu nutzt Tesla Software-Updates über Over-The-Air. Ein konkreter Zeitpunkt ist aber noch nicht bekannt.
Kritik: Tesla Vision – gut oder schlecht?
Die Umstellung auf Tesla Vision hat aber auch Probleme mit sich gebracht. Angefangen mit der kleinsten Veränderung beim Lenkassistenten. Dieser funktioniert noch, jedoch nicht mehr so wie früher. Die zuvor 150 km/h Höchstgeschwindigkeit wurden auf 140 km/h begrenzt. Ein nur kleiner Unterschied und nicht wirklich einschränkend.
Die weitaus problematischeren Veränderungen betreffen nicht direkt den Autopiloten, sondern seine Nebenfunktionen. Bei der Benutzung des Autopiloten werden Fernlicht und Scheibenwischer immer wieder automatisch ohne ersichtlichen Grund aktiviert. Das Problem mit den Scheibenwischern ist zwar nervig, aber nicht weiter schlimm. Tesla-Fahrer witzeln und machten aus dem Konzept „vision only“ den Ausdruck „wischen only“.
Weitaus schlimmer ist das Blenden des Gegenverkehrs mit Fernlicht, was für alle Verkehrsteilnehmer gleichermaßen gefährlich werden kann. Doch mit dem Update auf die Software-Version 2022.40.4 sind deutliche Verbesserungen in diesen Punkten spürbar, auch wenn die Assistenten immer noch nicht perfekt funktionieren.